17. August 2020

 

Die besten Spieler der Welt sind unabhängig von den Bedingungen dazu in der Lage, ihre beste Leistung zu bringen, egal wie der Platz, die Atmosphäre oder gar der Gegner ist.

Nicht jeder kann Roger Federer sein, obwohl dies zumindest für ein spannendes Wimbledon-Turnier sorgen würde. Unterschiedliche Spielfeldbeläge sind der größte Faktor im Hinblick auf die Leistungen der Spieler.

Der Hartplatz ist dabei das täglich Brot der ATP-Tour, obwohl es auch hier verschiedene Varianten gibt. Viele entwickeln die Tendenz, auf Sand gut zu spielen, während andere wiederum den Beginn der Gras-Saison kaum erwarten können. Welchen Unterschied machen die verschiedenen Beläge also, wenn du auf Tennis wettest?

Das Gras ist grüner 

Es gibt allenfalls einige wenige Spieler auf der ATP-Tour, die sich als Grasplatz-Spezialisten bezeichnen würden, und das aus gutem Grund.

Spieler können sich erfolgreich durch die ganze Saison spielen und sämtliche Punkte auf Sand oder Hartplatz einfahren und den anderen Belag konsequent ignorieren.

Wenn sich ein Spieler hingegen dazu entschließen würde, nur auf Grasplätzen zu spielen, hätte er einen sehr vollen Kalender um den Monat Juni herum, während der Rest des Jahres frei bliebe.

Der Name Federer wurde zum Synonym für Wimbledon (dafür sorgten seine 8 Titel), doch die Schweizer Legende sicherte sich ebenso 11 Titel in den Zwei Hartplatz-Grand Slams.

All jene, die auf Gras überragend spielen, müssen daher einen Weg finden, um auf den anderen Belägen ebenfalls zu überleben, um ganzjährig erfolgreich zu sein.

Das zeigt sich bereits, wenn man einen Blick auf Federer wirft. Bei den US Open ist er mit einer Quote von 4,50 hinter Novak Djokovic zu finden, während die weiteren üblichen Verdächtigen nach ihm (Nadal, Zverev, del Potro) regelmäßig auf allen Belägen Herausforderer sind.

Auch bei den Australian Open 2019 ist nur Djokovic mit einer Quote von 4,00 auf den Turniersieg vor Federer zu finden.

Die geringe Anzahl an Grasturnieren wird von vielen beklagt – meist aber von denjenigen, die ihre besten Leistungen auf diesem Belag abliefern. Wenn Gras genauso wie andere Oberflächen gewichtet würde, würde Feliciano Lopez wohl auf eine Karriere als ständiges Mitglied der Top 10 zurückblicken können, statt immer nur knapp außen vor zu sein.

Lopez holte sich seinen ersten ATP500-Titel im letzten Jahr in Queen’s, als er ein Quartett aus den Top-15 schlug. Er ist eine Besonderheit unter den spanischen Spielern, da seine Landsleute für gewöhnlich eher stark auf Sand spielen.

Lopez' offensives Spiel kann auf dem gnadenlosen Sandplatz gekontert werden, lässt ihn jedoch auf Gras Winner sowie Volleys produzieren.

Es ist sicherlich ausgesprochen hilfreich, dass Lopez einen starken Aufschlag hat, auf den er auf Gras leichter zurückgreifen kann, als auf anderen Belägen.

Lopez ist ein großer Fan des Serve-und-Volley-Spiels, das lange Zeit untrennbar mit Wimbledon verbunden war, zuletzt aber aus der Mode gekommen ist.

Die aussterbende Kunst des Serve-Volleys im Tennis

Seine schwindende Beliebtheit ist aus vielen Gründen bedauerlich. Der große Erfolg des Tennis liegt nicht zuletzt am Aufeinandertreffen unterschiedlicher Spielstile und wenn beide Spieler Serve-und-Volley einsetzen oder darauf kontern, kann dies eine fesselnde Erfahrung sein.

Zudem funktioniert es immer noch. Tatsächlich kann Serve-und-Volley oftmals zu einer Art Handicap zwischen Spielern werden, deren Fähigkeiten auf anderen Belägen weit auseinandergehen, da die Strategie viele Elemente des gegnerischen Spiels ausgleicht, weil die Punkte wahnsinnig schnell vorbei sein können.

Nadal kann dies bestätigen, nachdem er 2015 in Wimbledon gegen Dustin Brown verlor. Der 7:5, 3:6, 6:4, 6:4 Sieg der damaligen Nummer 102 der Welt war eine unfassbare Vorstellung des mutigen Attackierens, dabei ist Brown ein wohlbekannter Außenseiter, dessen Spiel bisweilen zwischen hervorragend und unberechenbar schwankt.

Nadal musste nochmals als Beweis für die Vorzüge des Serve-und-Volley-Spiels herhalten. 2017 zeigte sich, dass er auf Gras ebenfalls ein Normalsterblicher ist, als er im Achtelfinale gegen den widerstandsfähigen Gilles Muller mit 6:3, 6:4, 3:6, 4:6, 15:13 verlor.

Der epische Schlagabtausch wurde nicht etwa von dem schwachen Spiel von Nadal geprägt, sondern vielmehr von Mullers Fähigkeit, tolle Aufschläge und spektakuläre Winner anzubringen.

Auf jedem anderen Belag würde Nadal gegen Muller und Brown (wie auch gegen Lukas Rosol und Steve Darcis, zwei andere meist unspektakuläre Spieler, die sich zu unerreichten Höhen aufschwingen konnten, als sie ​Nadal in Wimbledon überraschend schlugen) siegessicher sein.

Auf Sand würde Nadal natürlich in einem Spiel gegen alle diese Spieler gleichzeitig der turmhohe Favorit sein. Das mag natürlich etwas übertrieben sein, aber Nadal übt eine solche Übermacht auf die French Open aus, dass er so ziemlich jedes Turnier seit seinem ersten Titel 2005 dominiert hat.

Elf Titel später ist es unmöglich vorherzusagen, ob es jemals einen verdienten Nachfolger auf den Titel „König des Sandplatzes“ geben wird. Nadals Überlegenheit hat jedenfalls die Messlatte für Sandplatzspezialisten sehr viel höher gelegt. 

Ein Hoch auf den König des Sandplatzes

Neben all den Lobgesängen auf Roger Federer und Andy Murray in Wimbledon kann man schon einmal leicht vergessen, dass Nadal selbst ebenfalls zwei Wimbledon-Titel eingefahren hat und immer unter den Favoriten in London genannt wird.

Trotzdem ist der Spanier deutlich schwieriger auf Sand zu spielen – was sogar dazu führte, dass Roger Federer bei den French Open nicht mehr antritt, da es sich für ihn einfach nicht lohnt.

Die langsamere Beschaffenheit des Sandbelages ist vor allem gut für Spieler mit großartigen athletischen Fähigkeiten, ausreichenden defensiven Fertigkeiten und einer großen mentalen Stärke.

Nadal hat all diese Eigenschaften in riesigen Mengen und vor allem die beiden erstgenannten Elemente sorgen dafür, dass jeder Belagswechsel eine Leichtigkeit für den Spanier darstellt.

Seine mentale Widerstandskraft sorgt unterdessen dafür, dass Nadal in der Lage ist, bei langen Ballwechseln geduldig zu bleiben, um schließlich mit tödlicher Präzision den Zeitpunkt der Attacke zu wählen.

Nadals unglaubliche physische Stärke überstrahlt hin und wieder seine technische Fähigkeit, spielend zwischen Defensive und Angriff zu wechseln, während der Topspin-Schlag ihn zum vollendeten Spieler auf Sand macht.

Die relative Abwesenheit von Geschwindigkeit stiehlt den wuchtigen Aufschlagskönnern deren Möglichkeit, Ass um Ass zu schlagen. Somit wird es für die Spieler, die es gewohnt sind, ihren eigenen Aufschlag recht einfach zu halten, deutlich schwieriger als zuvor.

Beim Blick auf die Spieler mit dem Sandplatz als Lieblingsbelag macht deutlich, dass es durchaus Gemeinsamkeiten gibt; Spieler wie Albert Ramos, Pablo Cuevas und David Ferrer haben sich in den hohen Regionen der Weltrangliste etabliert, weil ihre Topspin-Vorhand sie Punkte kontrollieren und letztlich Siege einfahren lässt. Ferrer ist dauerhaft in den Top 10 vertreten und erreichte 2013 das Finale der French Open.

Dominic Thiem hat ähnliche Waffen in seinem Arsenal und blickt ab dem zukünftigen Rücktritt von Nadal auf den Sieg in den French Open, obwohl es immer wahrscheinlicher erscheint, dass Nadal das Pariser Turnier für alle Zeiten für sich entscheidet.

Thiem ist besonders auffällig, da er sämtliche Ranglistenpunkte im Grunde auf Sand einfährt und auf anderen Belegen wie Hartplatz oder Gras nicht mithalten kann.

Thiems Schwierigkeiten auf dem Hartplatz sind etwas merkwürdig, da er einen kraftvollen Aufschlag und eine starke Vorhand mitbringt, die im die Fähigkeit geben sollten, Punkte zu diktieren.

So liegen die Quoten von Thiem bei ATP-Turnier in Toronto dann auch nur bei 21,00 und damit weit hinter den Favoriten zurück.

Vielleicht ist es eine Frage der Strategie, da Thiem so komfortabel mit seiner Taktik auf dem Sandplatz spielt und nicht in der Lage zu sein scheint, sich den anderen Belägen entsprechend anzupassen.

Kann Edmund der zukünftige Tennisstar werden?

Kyle Edmund ist ein untypischer britischer Tennisspieler; mit Wimbledon vor der Tür und einem britischen Spieler auf Rang 17 der Weltrangliste könnte man erwarten, dass die nationale Presse in England Edmund zum Titelkandidaten hypt.

Auch wenn er auf Gras und vor heimischer Kulisse nichtsdestotrotz stets weit kommen kann, ist es der Sand, auf dem Edmund sein bestes Tennis spielt, sodass wohl eher die French Open seine größte Chance auf einen Grand Slam Triumph sein werden (erneut mit der Einschränkung, dass Nadal dazu erst zurücktreten müsste).

Edmund gewöhnte sich bereits in jungem Alter an den Sandplatz, da ihm langsamere Beläge mehr Zeit dafür geben, seine Vorhand mit viel Präzision und Kraft auszuspielen.

Mit mehr Sportlichkeit und einer verbesserten Rückhand hat Edmund alle Chancen, auf Sand eine echte Gefahr darzustellen.

Selbstverständlich spielen die besten Spieler auf allen Belägen gut, doch oftmals ist es die Gewohnheit, die den Unterschied ausmachen kann und zusätzliches Selbstvertrauen bringt.

Nehmen wir nur Victor Estrella Burgos als Beispiel eines Profis auf Sandplätzen rund um die Welt. Der ehemalige Top-50-Spieler gewann die ersten drei Auflagen des ATP 250 Turniers in Quito und entfaltete damit Dominanz wie sonst nur Nadal.

Während Estrella auf allen Sandplätzen spielen kann, fand er ein zweites Zuhause in Quito, indem er sich an die atemberaubende Höhenluft sowie das Spielfeld einstellte.

Ob Nadal und Federer sich ebenso anpassen könnten, wird wohl eine der größten unbeantworteten Fragen unserer Zeit bleiben, doch wir können davon ausgehen, dass sie sich gut schlagen würden.

 

15. Juli 2018

 

* Die Rechte am Bild liegen bei Chris Symes / AP Photos *

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