Die Einführung des Viedobeweises bzw. Videoassistenten (VAR) sollte laut FIFA dafür sorgen, jegliche Zweifel an potentiell fraglichen Schiedsrichterentscheidungen auszuräumen. So sollten Fairness und Unparteilichkeit während den Spielen verbessert werden. Ironischerweise wurde die Nutzung der VAR-Technologie selbst einer der größten Gesprächspunkte bei der WM 2018 in Russland. Dabei ging es vor allem um die polarisierende Frage, ob es nun fair sei oder nicht.

Wir schauen uns näher an, wie es zum VAR kam, was seine Nutzung wirklich bedeutet sowie dessen Einfluss auf die Weltmeisterschaft. Danach widmen wir uns der Frage, wie die Technologie in Zukunft bei der Entscheidungsfindung im Fußball behilflich sein kann. 

Wie kam der VAR zur WM?

Erste Testläufe des VAR gab es in Wettbewerben wie der Bundesliga und Italiens Serie A sowie den englischen Pokalwettbewerben FA Cup und Carabao Cup. Im März dieses Jahres  wurde die Nutzung des VAR bei der WM 2018 vom International Football Association Board in Zürich genehmigt.

Viele führende Schiedsrichter der Welt kannten die VAR-Technologie bereits. Das Konzept konnten sie bei Tests während der letzten zwei Jahre ausgiebig kennenlernen. Die ersten hochkarätigen Ereignisse mit VAR wurden die Klub-WM 2016 sowie der Confederations Cup 2017.

Sämtliche Schiedsrichterteams bei der WM 2018 erhielten intensives Training und praktische Schulung für die Nutzung des VAR, vor allem nach der Verkündung, dass die Technologie beim Weltturnier genutzt werden würde. 

Beabsichtigte Nutzung von VAR und wie er funktioniert

Laut den offiziellen Statements der FIFA wird der VAR bei Spielen im Falle von "drei Hauptvorkommnissen" angewandt (plus ein administratives), die als "spielverändernd" angesehen werden. Diese sind wie folgt definiert:

1 - Tore

Die Rolle des VAR ist es, dem Schiedsrichter bei der Frage nach Regelverstößen zu assistieren, die dazu führen würden, dass ein Tor nicht gegeben wird. Sobald der Ball die Torlinie überquert, wird das Spiel unterbrochen, sodass es keinen direkten Einfluss auf das Spiel gibt.

2 - Elfmeter

Die Rolle des VAR ist es sicherzustellen, dass keine eindeutig falschen Entscheidungen getroffen werden, wenn es um das Geben oder Nicht-Geben von Elfmetern geht.

3 - Direkte rote Karten

Die Rolle des VAR ist es sicherzustellen, dass keine eindeutig falschen Entscheidungen im Hinblick auf eine rote Karte oder das Vermeiden dieser getroffen werden.

Administrativ – Falsche Identität

Der Schiedsrichter verwarnt oder verweist den falschen Spieler vom Feld oder ist sich unsicher, welcher Spieler verwarnt werden sollte. Der VAR wird den Schiedsrichter informieren, sodass der richtige Spieler verwarnt wird.

Um zu erklären, wie der VAR selbst in diesen Spielsituationen genutzt wird, werden laut FIFA.com die folgenden Schritte unternommen:

Schritt 1 – Wenn ein Vorfall stattfindet

Der Schiedsrichter informiert den VAR oder der VAR empfiehlt dem Schiedsrichter die Prüfung einer Entscheidung/eines Vorfalls.

Schritt 2 – Prüfung und Empfehlung des VAR

Die Videobilder werden vom VAR überprüft, der dem Schiedsrichter über Headset mitteilt, was im Video zu sehen ist.

Schritt 3 – Entscheidungsfindung

Der Schiedsrichter kann sich dazu entscheiden, die Bilder in der Review Area am Spielfeldrand selbst anzuschauen, ehe er die angemessene Entscheidung trifft. Der Schiedsrichter kann auch den Informationen des VAR folgen und die angemessene Entscheidung treffen.

Dies scheint erst einmal recht einfach, doch wie funktionierte das bei der WM 2018 in Russland in der Praxis? Durch das gesamte Turnier gab es ein Videoassistententeam bei jedem der 64 Turnierspiele, welches die jeweilige Partie aus Moskau verfolgte. Das VAR-Team für jedes Spiel besteht aus dem Video-Assistenten (VAR) und seinen drei Assistenten, die AVAR1, AVAR2 und AVAR3 genannt werden.

Der leitende VAR schaut sich das Spiel auf einem Quad-Split-Monitor an und ist dafür verantwortlich, mit dem Schiedsrichter auf dem Platz zu kommunizieren. AVAR1 fokussiert sich auf die Hauptkamera und informiert den VAR über geprüfte Vorkommnisse. AVAR2 konzentriert sich ausschließlich auf Abseitsentscheidungen. AVAR3 schaut auf das TV-Bild , das wir ebenfalls zuhause sehen, um Vorfälle zu bewerten und die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern sicherzustellen.

Statistiken der Weltmeisterschaft

Der vielleicht auffälligste Einfluss des VAR ist die Anzahl der Elfmeter, die bei der WM 2018 verhängt wurden. Nach dem letzten Spiel der Gruppe B zwischen dem Iran und Portugal, in dem gleich zwei Elfmeter gepfiffen wurden, gab es insgesamt bereits 20 Strafstöße nach 36 Gruppenspielen. Ausgerechnet Cristiano Ronaldo, der bei Juventus mit einer Quote von 1,80 Favorit auf den Titel des Serie A Torschützenkönig ist, vergab seinen Versuch. Insgesamt wurden bis zum Ende des Turniers schließlich 29 Elfmeter verhängt, wohingegen es 2014 in Brasilien gerade einmal 13 gab. Auch der bis dorthin gültige Rekord von 18 Strafstößen in den Weltmeisterschaften 1990, 1998 und 2002 wurde mit Leichtigkeit gebrochen.

Die Einführung des VAR hatte einen klaren Einfluss auf die stark erhöhte Anzahl an Elfmeterentscheidungen. Bis zum Spiel zwischen Iran und Portugal wurden sieben Strafstöße nach direkter Rücksprache oder Unterbrechung durch den VAR gegeben. Dies lässt die Frage offen, ob sie auch ohne dessen Einfluss gegeben worden wären.

Reaktionen auf den VAR bei der WM

Vor allem England hatte während der WM 2018 viele Diskussionen rund um den VAR zu erdulden. Ihre ersten beiden Spiele in der Gruppe G sorgten für viel Streit unter Fans und Experten, wie effektiv die Nutzung des VAR denn nun gewesen sei. Beim knappen 2:1 Sieg gegen Tunesien erzielte das nordafrikanische Team ein Elfmetertor, nachdem Kyle Walker Fakhreddine Ben Youssef im Strafraum mit dem Ellbogen zu Boden brachte. Auf der anderen Seite wurde der englische Stürmer Harry Kane bei einer Ecke eindeutig vom tunesischen Abwehrspieler Yassine Meriah zu Boden gerungen, doch weder der Schiedsrichter noch der VAR griffen ein.

Wie kann also ein klares Foul und ein potentieller Elfmeter durchrutschen? Es liegt letztlich alles in der Interpretation des Schiedsrichters auf dem Platz. Unabhängig davon, was der VAR sieht, besitzt der Unparteiische auf dem Spielfeld noch immer das letzte Wort. "Die FIFA sagte, dass Schiedsrichter eindeutiges Halten im Strafraum ahnden würden. Deshalb ist es nicht klar, warum der VAR keine Review auf dem Feld empfohlen hat. Es sei denn, der Schiedsrichter war der Meinung, dass es ebenfalls andere Regelverstöße von englischen Spielern gab", sagte David Ellary nach dem Spiel.

Interessanterweise ist der ehemalige englische Schiedsrichter Ellary mittlerweile der technische Direktor des International Football Association Boards, das die Fußballregeln überwacht. Diese spielte eine entscheidende Rolle dabei, den VAR zur WM zu bringen. Nichtsdestotrotz stellt er fest, dass der VAR von "maximalem Vorteil" war und grundsätzlich zu einer "faireren Weltmeisterschaft" beitrug.

Die Zukunft des VAR im Fußball

Es gibt kaum Zweifel daran, dass der VAR auch weiterhin für Diskussionen sorgen wird. Dennoch ist er gekommen, um zu bleiben. Während die Premier League trotz der Testläufe in FA und Carabao Cup weiterhin auf den Einsatz der Technologie verzichtet, wird die Bundesliga auch 2018/19 auf den VAR setzen. Dabei gab es vor allem in der vergangenen Spielzeit viel Gesprächsstoff rund um die Leistungen der Unparteiischen. Die DFL hofft, dass diese Probleme nicht zuletzt dank der größtenteils erfolgreichen Umsetzung bei der WM 2018 der Vergangenheit angehören werden. Es ist fraglich, ob FIFA und UEFA Druck ausüben werden, damit die Top-Ligen nachziehen, welche den Videobeweis noch nicht einsetzen.

Allerdings verzichtet auch die UEFA in seinem Prestige-Wettbewerb Champions League weiterhin auf den Einsatz der Technik und vertraut seinen Unparteiischen. Das liegt vor allem an den Problemen, die während der Testphase in Bundesliga und Serie A immer wieder auftraten.

Auf der anderen Seite zeigte sich La Liga-Präsident Javier Tebas so begeistert von der Umsetzung während der Weltmeisterschaft, dass er den VAR für die Spielzeit 2018/19 in Spanien einführen möchte. Ob es letztlich gar den Ausschlag im Meisterschaftsrennen gibt, den momentan der FC Barcelona mit einer Quote von 1,75 anführt?

Einer der wichtigsten Aspekte auf dem zukünftigen Weg des VAR und dessen unvermeidbarer Nutzung auf höchstem Niveau, ist die Klarheit der Beteiligten hinsichtlich der Funktionsweise des Systems. Die häufigsten Gründe für Verwirrung unter den Spielern bei der WM waren meist die Fragen, wann der VAR eigentlich genutzt wird. Auf welcher Seite zum VAR wir auch immer stehen: Hoffentlich wird die Gewohnheit früher oder später einsetzen und damit zugleich ein größeres Verständnis zur Frage des Wie und Wann der Technologie. Nur so kann die Videotechnik während den Spielen effektiv arbeiten.

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