Heimvorteil in der Bundesliga?
Ein Blick auf die Bundesliga-Tabelle nach acht Spieltagen lässt zum Beispiel darauf schließen, dass Bayern München und der VfB Stuttgart im Blick auf den Schnitt der Punkte pro Spiel die besten Heimmannschaften sind. Beide Vereine aus dem Süden der Liga konnten bisher drei Siege und ein Unentschieden vor eigenem Publikum feiern. Ein Blick auf die Auswärtstabelle bestärkt die Theorie des Heimvorteils. Während der FCB auf fremdem Platz mit stolzen sieben Punkten daherkommt, steht der VfB mit vier Niederlagen aus ebenso vielen Spielen auf dem letzten Rang. Zugegeben: Aus acht Spielen lässt sich kein wirklicher Trend festmachen, doch immer wieder fand sich in den vergangenen Jahren das Phänomen der Stärke auf bestimmten Plätzen in der Bundesliga. Atmosphärisch hochwertige Stadien wie in Dortmund, führen in der öffentlichen Wahrnehmung schnell zu einem Heimvorteil. Auch wenn sich dieser im Fall Dortmund bisher nicht belegen lässt, immerhin holten die Schwarz-Gelben auswärts sogar einen Punkt mehr als im Signal-Iduna-Park.
Einfacher wird es, einen Blick auf die Historie zu werfen, um eine gewisse Datentiefe und zuverlässigere Statistiken zu erhalten. In der Bundesliga-Saison 2016/17 wurden die üblichen 306 Erstligapartien ausgetragen. 49% dieser Spiele endeten in einem Heimsieg. Insbesondere Bayern, Stuttgart sowie Hoffenheim schraubten diese Statistik ohne Niederlagen vor eigenem Publikum in die Höhe. Zu den 24,2% Unentschieden gesellen sich dann gerade einmal 26,8% Auswärtserfolge. Diese 49% sind der höchste Wert seit der Saison 2003/04, als 52,3% der Spiele mit einem Heimsieg endeten. Der Rekord lag im Übrigen bei 62,4% in 1977/78, die niedrigsten Werte unterdessen bei zweimal 40,2% Anfang und Mitte der 90-er. Beim Blick auf die letzten zehn Jahre war die Auswärts-Erfolgsrate eher rückläufig, nachdem sie 2010/11 ihren Höhepunkt mit 33,3% erreicht hatte.
Dies zeigt vor allem eines: Während die Rekord-Heimwerte teils weit zurück liegen, finden sich die Höchstwerte in der Auswärtsstatistik erst in den letzten Jahren wieder. Tatsächlich wurde ein Wert von mindestens 50% Heimsiegen bis zur Spielzeit 1988/89 nie unterschritten, doch seitdem geschah genau dies in 24 von 29 Saisons. Mit der zunehmenden Auswärtsstärke ließ sich interessanterweise auch ein Rückgang der erzielten Tore pro Spiel beobachten. Zu guter Letzt noch ein Blick auf eine weitere Statistik, die unterstreicht, dass es nach wie vor nicht immer einfach ist, auswärts anzutreten:
Von 11.027 Spielen, in denen eine Mannschaft zu Hause führte, endeten aus Sicht der jeweiligen Mannschaft:
8.422 Spiele mit einem Sieg (76,38%)
1.887 Spiele mit einem Unentschieden (17,11%)
718 Spiele mit einer Niederlage (6,51%)
Von 6.929 Spielen, in denen eine Mannschaft auswärts führte, endeten aus Sicht der jeweiligen Mannschaft:
3.860 Spiele mit einem Sieg (55,71%)
1.726 Spiele mit einem Unentschieden (24,91%)
1.343 Spiele mit einer Niederlage (19,38%)
Heimeis-Vorteil in der NHL?
Im US-amerikanischen Sport ist die lange Saison gewöhnlich nur die Vorbereitung für das, was danach kommt: die Playoffs. Die Eishockey-Liga NHL beispielsweise spielt erst einmal eine 82-Spiele-Saison aus, nur um die Playoffs und darin möglichst Heimvorteil zu erreichen. Viel Arbeit, die sich für das große Ziel doch zumindest sehr lohnen müsste, sollte man meinen. Nun, zumindest ein kleines bisschen, denn riesig groß ist der Vorteil vor heimischem Publikum nicht. In der langen NHL-Historie ist lediglich ein 57,8 prozentiger Heimvorteil auszumachen. Wem das doch recht groß vorkommt, der vergisst, dass Unentschieden (im Gegensatz zu der regulären Saison) in den Playoffs ausgespielt werden. Die Gastteams gewannen demnach 43,2% aller Playoff-Spiele.
Besonders spannend wird es beim Blick auf die Details. Was genau sind die entscheidenden Spiele in den Playoffs? Wie lassen sie sich extrahieren? Am entscheidendsten sind meistens jene Spiele, welche eine der beiden Mannschaften ins Aus zwingt. Dies ist möglich in Serien, wo ein Team bereits mindestens drei Spiele siegreich gestalten konnte. Statistisch gesehen hätten Heimteams 603 Mal eine Serie vorzeitig beenden können und schafften dies in 383 Fällen. Das entspricht einer Prozentzahl von 63,5%, also durchaus solide. Man kann hier von einem Vorteil auf Heimeis sprechen. In Eliminationsspielen, also wenn das eigene Aus droht, sind die Mannschaften hingegen deutlich weniger erfolgreich als sonst. Gerade einmal 51,6% (349-327) der Spiele konnten gewonnen werden. Man befindet sich also praktisch fast im Mittel und kann nur schwer einen Sieger anhand der Historie vorhersagen. Zu guter Letzt sind Overtime-Spiele stets eine besonders spannende Angelegenheit, da eine Mannschaft sich hier mit nur einem einzigen glücklichen Schuss einen riesigen Vorteil schaffen kann. 50,5% der Overtime-Spiele gingen an das Heimteam, während 49,5% der Zeit das Gastteam jubelte - Gleichwertiger geht es kaum.
Konkrete Beispiele aus den vergangenen Jahren unterstützen die These, dass der Heimvorteil beim Eishockey nur einen bedingten Effekt besitzt. Die Nashville Predators erreichten beispielsweise als Wildcard-Team Nummer zwei aus dem Westen, also punktemäßig als schlechtester aller Playoff-Teilnehmer, das Stanley Cup Finale und waren trotz schweren Verletzungs-Pechs nicht allzu weit vom ultimativen Triumph entfernt. 2012 zeigten die Los Angeles Kings einen spektakulären Titel-Run, der sie als an #8 gesetztes Team im Westen am Ende über die New Jersey Devils triumphieren sah. Die Kings schlugen nacheinander die an #1, #2 und #3 gesetzten Teams und waren auswärts schlicht nicht zu schlagen (8-0).
Verschiedene Faktoren beeinflussen Heimstärke
Während der Faktor Heimspiel also im Fußball sinkt und im Eishockey fast komplett irrelevant erscheint, stellt sich die Frage, welche Details einen potentiellen Vorteil beeinflussen können. Fünf Faktoren lassen sich als Grundlage herausarbeiten. Der erste von ihnen besteht in der Vetrautheit mit Platz/Arena sowie den entsprechenden Einrichtungen. Zieht beispielsweise ein Fußballteam in ein neues Stadion um, so werden die Ergebnisse statistisch gesehen erst einmal schlechter. Dagegen spricht allerdings vor allem Baseball, wo die Stadien extrem unterschiedlich in Spielfeldgröße, Tribünen und Co. aussehen. Vermutlich spricht hier der Sport an sich für eine größere Ausgeglichenheit, während andere Umweltfaktoren einen kleineren Einfluss auf Heim- oder Auswärtsstärke besitzen. Da für Heimspiele zudem keine lange Reise ansteht, bietet sich hier ein zweiter Vorteil für alle Teams im eigenen Stadion. Während früher lange und anstrengende Busfahrten an der Tagesordnung waren, sind mittlerweile immer öfter komfortable Flüge das Mittel zum Ziel und reduzieren so die Strapazen. Dies erklärt sicher auch einen Teil der stets gestiegenen Auswärtsstärke. Selbst bei Fußball-Weltmeisterschaften fanden sich statistische Zusammenhänge zwischen Heimatland und Reisedistanz sowie der letztlichen Leistung auf dem Platz. Erst 2014 konnte mit Deutschland zum ersten Mal ein europäisches Team außerhalb Europas den WM-Titel gewinnen.
Heimstärke ist vor allem noch heute auf die geografische Lage zurückzuführen. Ein beliebtes Beispiel ist an dieser Stelle der südamerikanische Staat Bolivien, der im Fußball eigentlich keine Chance hätte - wäre da nicht die Lage des Nationalstadions. Das Estadio Hernando Siles befindet sich circa 3.600 Meter über dem Meeresspiegel und lehrt einen nach dem anderen Konkurrenten aufgrund der dünnen Luft das Fürchten. Unvergessen ist nach wie vor der 6:1 Sieg über Argentinien in der WM-Qualifikation für das Turnier 2010. Auch die Aggressivität der Spieler selbst ist daheim oft höher, was an den Messungen von Testosteron-Werten festzustellen war. Besonders in Spielen gegen die Rivalen oder Tabellennachbarn besteht eine höhere Grund-Aggressivität, die sich im Anschluss auch auf die Zuschauer überträgt. Je lauter die Fans in einem Stadion zu hören sind, desto mehr wird der eigentlich Unparteiische von der Atmosphäre beeinflusst. Unterstützt wird dies zum Beispiel mit Resultaten aus der National Football League, in der immer mehr geschlossene Stadien gebaut wurden, die einen weit höheren Lärmpegel als die offenen bieten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es vor allem für denjenigen einen Heimvorteil gibt, der an ihn und sich selbst glaubt. Analysiert man nur Statistiken, lassen sich von Sport zu Sport unterschiedliche Schlüsse ziehen.